Archiv der Kategorie: UK – England

Cruise Diaries #3: Stonehenge und Salisbury – Todesangst vorm Steinkreis

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Unser Ausflug nach Stonehenge hätte ohne Mias Durchsetzungsfähigkeit gegenüber meiner Zaghaftigkeit gar nicht stattgefunden. Nachdem es nämlich in unserer Anlegestadt Southampton zu schütten begonnen hatte, wollte ich schon die Nerven wegschmeißen und den Ausflug abblasen. Aber Mia pokerte auf gutes Wetter und tatsächlich! Obwohl uns zwischendurch immer wieder schwere Schauer überzogen konnten wir sowohl Stonehenge als auch Salisbury bei strahlendem Sonnenschein betrachten. Immer wenn es gerade regnete waren wir drinnen, entweder im Zug, im Bus, im Visitor Center oder in der Kathedrale. Nach längerer Anreise erreichten wir den magischen Steinkreis. Dabei mussten wir zeitweise Todesängste durchstehen, weil der so ruhig und besonnen wirkende Busfahrer des „Stonehenge Bus“seinen gesamten angestauten Lebensfrust am Gaspedal ausließ.

Auf einer leichten Anhöhe, mitten in der Bilderbuchlandschaft Südenglands, steht dieser mächtige Verbund sandsteinerner Monolithen. 3.500 v. Chr. wurde mit der Arbeit an diesem Monument begonnen, dessen Zweck wohl nie ganz eindeutig geklärt sein wird. Auf jeden Fall musste seine Bedeutung für die steinzeitlichen Bewohner dieser Region groß gewesen sein. Es bedurfte tausender Arbeiter und hohen logistischen Aufwand, um dieses Denkmal zu errichten. Kalender, Friedhof, Kultort, was auch immer der Hauptzweck Stonehenges war, es wirkt noch immer eindrucksvoll und ehrfurchtgebietend.

Wir spulen knapp 4.700 Jahre vor und können das gleiche über die 1228 fertig gestellte Kathedrale von Salisbury sagen – der größten im Vereinigten Königreich. Auch diese steht inmitten grüner Wiese, ragt aber wesentlich höher den Himmel empor, nämlich exakt 123 Meter. Guter Laune verließen wir nach dem kurzen Rundgang im Gotteshaus das Städtchen Salisbury wieder mit dem Zug, um rechtzeitig zurück an Bord sein zu können.

Maybe it’s because I’m a Londoner…

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Westminster Abbey Front

[Vor dem Fernseher]

London haut mich total von den Socken. Die Stadt ist riesig, die Gebäude gewaltig und doch ist alles überraschend sauber, und wenn man nicht gerade vor einer Touristenattraktion steht wirkt die Stadt sogar relativ entspannt. Oder liegt das an der Nachweihnachtszeit? Oder daran, dass ich selbst so entspannt bin? Das Wetter ist ziemlich gut (kein Regen und gelegentliche Sonnenfenster in der Wolkendecke) und wir lassen es uns auch gut gehen. Gestern kamen wir in Gatwick an, bezogen unser wunderschönes Quartier, und fuhren gleich mal zu Harrods. Dort war unglaublich viel los. Viele reiche Leute und welche die es gern wären durchströmten diesen sechsgeschossigen Konsumtempel, wie eine zähflüssige pulsierende Masse. Wie dickes Blut im Herzen des Kapitalismus. Die haben dort aber auch echt chice Sachen. Wir kauften etwas mit Dinosauriern. Danach stapften wir im Finsteren durch den Hyde Park zum Winter Wonderland! Das ist eine Art weihnachtliches Oktoberfest mitten in London. Es gab sogar ein „Bavarian Village“ in dem Bratwurst, -erdäpfel, Sauerkraut und auch Flammlachs serviert wird. Wir aßen uns durch die Hälfte der unzähligen Fressstände und bestiegen eines der Fahrgeschäfte: ein gemütliches kleines Riesenrad in dem wir ein paar romantische Runden drehten, umringt von den Lichtern des Festes und begleitet vom Klingeln, Brummen, Musik- und Stimmengewirr das rund um uns herrschte.

[Einige Tage Pause – am Flughafen]

Sorry, liebes Tagebuch, aber die „Most Shocking Celebrity Moments 2018“ haben mich zu sehr abgelenkt, um weiter zu schreiben. Eine Sendung, die nur die Briten machen können. Silikon, Möpse, Kot und seltsame Frisuren… Wie war der Ausflug noch? Super, toll, romantisch, kuschelig, aufregend, informativ, extravagant, köstlich und entspannt. Tag 2 war vor allem der City of Westminster gewidmet. Die Tube brachte uns zur Abbey, wo wir ordentlich „die Menge schlugen“ da wir Eintrittskarten vorreserviert hatten. Die Kirche sieht von außen aus wie Notre Dame, innen wird das gotische Design durch unzählige Ehrengräber, Gedenkplaketten, Statuen, Ehrengruften und Schreine aufgepeppt. Wie überall bei touristischen Hotspots in London steht man die meiste Zeit schlange. Im Westen des Gotteshauses liegen (bzw. werden geehrt) Wissenschaftler (Newton, Darwin, Faraday, Hawkins,…), im Norden Politiker, im Süden Künstler (Shakespeare, diverse Brontes, Dickens und Auden – wodurch die Ortschaft Kirchstetten hier Erwähnung findet) und im Osten die meisten Könige (Elizabeth I. vs. Maria Stuart, Edward der Bekenner und viele Georges und Charles). Als wir die Kirche via Café verließen war die Sonne heraußen. Wie herrlich! Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir flanierten entspannt rund um die teilweise baugerüsteten Houses of Parliament die Themse entlang. Vor dem London Eye herrschte ein unerträglich dichtes Gedränge und der Mäci dort erinnerte mehr an einen Schweinestall als an ein Restaurant. Generell sind hier überall sehr viele Menschen. Downing Street war abgeriegelt, dafür war der Buckingham Palace sehr schmuck bei Sonnenuntergang (16:00). Auch hier viele Leute, darunter die sehr anspruchsvolle chinesische Selfie-Biene „Fu-Ling“ (hihi).

Nach Sonnenuntergang dann mein persönliches Geschichte-Highlight: Lange Nacht im British Museum (als Ausgleich für die Lange Nacht der Museen, die wir heuer versäumt hatten). In diesem prächtigen Bauwerk könnte ich Tage verbringen. Wir hatten leider nur ein paar Stunden Zeit um uns an den gewaltigen Schätzen der Menschheit hier zu ergötzen (vor allem an den Götzenbildern). Das Relief der Löwenjagd König Assurbhanipals aus Mesopotamien, der Stein von Rosette, eine Säule des Artemistempels, Statuen des Mausoleums von Halikarnassos, ein Moai von den Osterinseln und natürlich das Parthenonfries beeindruckten mich besonders. Es ist faszinierend wie kunstvoll und filigran diese Stücke gearbeitet sind, und vor allem, dass sie sich über 2000 Jahre lang erhalten haben.

Tag 3 war ganz dem Tower of London gewidmet. Anfangs vernachlässigten wir sträflich „Petes Café“, das uns sonst immer mit Full English Breakfast versorgte, um so furchtbare Sachen wie „Sausage Bap“ oder „Breakfast Wrap“ zu essen. Daher also die Bezeichnung „Brechfest“… Wir schlugen auch hier die Menge am Burggraben, um anschließend eineinhalb Stunden in der Schlange für die Kronjuwelen zu stehen. Dank informativen Audioguide ist dies ein einigermaßen kurzweiliges Unterfangen. Die royalen Insignien sind ausgesprochen prachtvoll, darunter das Zepter mit dem „Stern von Afrika“, dem größten Diamanten der Welt, die indische Kaiserkrone, die nur ein Mal getragen wurde, und die Krone von Königin Elizabeth – der Queen Mum – mit dem „Koh-I-Noor-Diamant“, der Männern Unglück bringt. Außerdem machte das „Exeter Salt“ – eine riesige Saliera in Form des White Towers – und die königliche Taufschale ziemlichen Eindruck. Das meiste von dem Zeugs wurde 1657 angefertigt, nachdem Oliver Cromwell die alten Insignien einschmelzen hat lassen. Im Tower gibt es aber noch viel mehr zu sehen und viel mehr (jedoch kürzere) Schlangen zum Anstehen. Der von William dem Eroberer 1066 erbaute White Tower im Zentrum, direkt an die ehemalige Römermauer gebaut, war einst höchstes Gebäude der Insel, und beherbergt jetzt die „Line of Kings“. Das sind vermeintlich königliche Rüstungen, die hier schon vor 200 Jahren als Touristenattraktion galten. Ein Spaziergang auf der Burgmauer, die Besichtigung alter Zellen und königlicher Gemächer und eine Ausstellung über die ehemals hier befindliche Menagerie rundeten den Besuch kurz vor der blauen Stunde ab. Wir bestaunten dann noch kurz die Tower Bridge, bevor wir zwei Schritte weiter in unser Hotel umfielen. Wir waren sehr müde.

An diesem Abend hatten wir einen Tisch im „Fenchurch Restaurant“ reserviert. Jenes liegt ganz oben, im 37. Stock des als „Walkie Talkie“ bezeichneten Hochhauses in der Fenchurch Street. Man sitzt in einem Glaskasten innerhalb eines Glashauses, wobei im äußeren viele exotische Palmen, Farne und sonstige Pflanzen wachsen. Die Aussicht auf ganz London ist gewaltig und erinnerte mich an jene im Park Hyatt in Tokio, mit den vielen bunten Lichtern und Wolkenkratzern. Außerdem kommen hier der Tower plus Bridge und 2 Riesenräder (London Eye und jenes im Hyde Park) zum Metropolenpanorama hinzu. Wir fühlten uns wie die alten Götter im Olymp, hoch oben über den Wolken thronend, versorgt mit Nektar und Ambrosia. Nicht ganz – es gab Taube (geschmacklich zwischen Ente und Wild), Rebhuhn, Hirsch und flambierte Birne. Ein Hochgenuss für Gaumen, Augen und Herzen – es war wundervoll romantisch.

Als Kartograf kann ich London natürlich nicht verlassen, ohne mir den Nullmeridian angeschaut zu haben. Daher schipperten wir an Tag 3, einem nebligen Dezembertag, die Themse gen Greenwich hinab. Eine nette Vorstadt mit einem noch netteren englischen Garten beheimatet neben ein paar hübschen Universitätsgebäuden auch das „Royal Observatory“ und für die nächste Zeit wahrscheinlich noch die „Cutty Sark“. Dieses ehemals schnellste Segelschiff der Welt ist hier eindrucksvoll in einen unterkellerten Glaskasten drapiert, was Blicke von innen, außen, oben und unten auf das Schiff erlaubt. 1867 erbaut lieferte sie erst Tee aus China, später Wolle aus Australien, bis ihr die Dampfschiffe den Rang abliefen. Sie wurde an Portugiesen verkauft, die sie „Ferreira“ umbenannten und dann von einem britischen Nostalgiker zurück erworben, um als Schul-, und schließlich Museumsschiff zu enden. 2006 wäre sie fast abgebrannt. Mia war auch beeindruckt, obwohl ihre 20 Jahre alten Schulausflugserinnerungen dem Schiff vorab die Note „langweilig“ ausstellten. Ich bin so froh jetzt auch endlich mal London gesehen zu haben, ich kam mir schon wie ein Außenseiter vor. Der Nullmeridian war dann natürlich nur eine theoretische Sehenswürdigkeit. Er befindet sich genau hier, weil die königlichen Astronomen hier lebten und den Sternen beim Aufgehen zusahen. Vor dem jetzigen gab es übrigens schon 2 andere Nullmeridiane, beide ein paar Meter westlich des heutigen. Immer genauere Möglichkeiten zur Zeitmessung erlaubten eine immer exaktere Positionierung der – überall anders auf der Welt – imaginären Linie. Der zweite „alte“ Meridian ist übrigens noch immer Grundlage der amtlichen britischen Kartenwerke.

Danach wollten wir in Covent Garden indisch essen. Die Menschenmenge und der Mangel an geöffneten indischen Restaurants führte uns schließlich doch zu „Chippys“ gegenüber unserem Hotel, wo es Sheppards Pie (mmmhhh…) und – zum vierten Mal- Fish ’n Chips gab. Dieser Klassiker wurde uns nicht zu blöd, weil einfach gut. Und nun geht es wieder retour. Richtung Zuhause. Richtung 2019. Richtung neues Leben.

London Eye und Westminster Bridge
Westminster Abbey
Themse mit Parlament und London Eye
Westminster Suffragettendenkmal
Westminster Steven Seagull
Buckingham Palace Front
Buckingham Palace Fountain
London Bridge Nacht
The Shard Blue
Tower Guards
Yeoman Warden Selfie
Old Royal Naval College Blick auf Canary Wharf SW
Fenchurch 22 Aussicht nach Osten
Fenchurch 22 Essen