Ein bisschen wehmütig schreibe ich diese Zeilen, da wir in 2 Stunden diesen wunderschönen Ort mit dem Horrorbus wieder verlassen müssen. Waren heute Morgen noch Piranhafischen und haben (mit Gonzalo gemeinsam) 3 dieser schnappenden Biester, 3 Welse und einen Barsch (der größte Fang des Tages und Mia hat ihn an Land oder besser gesagt ins Boot gezogen) mithilfe eines Staberls und einem Stück Plastikschnur aus dem Wasser geholt. Ich hatte weniger Erfolg und angelte nur einen Mini-Piranha, den wir mitleidig wieder in den Rio Cuyabeno entließen. Auch gestern war ein herrlicher Tag – der erlebnisreichste in dieser Woche. Frühmorgens ging es mit dem Motorboot los, die Spanischstunden mussten ausfallen, denn es sollte eine Tagestour werden. Entlang des Ufers erspähten wir Tukane, Falken, Eisvögel und Affen! Hunderte dieser possierlichen Tierchen mit Totenkopfzeichnung kletterten direkt über unseren Köpfen von einer Seite des Flusses auf die andere. Die Jungen hielten sich an den Mamas fest, während diese flink von Baum zu Baum sprangen. Auch Capuchino-Äffchen gesellten sich schließlich zu der an die 70 Affen zählenden Gruppe hinzu und ließen die Äste unter ihrem Gewicht knacken.
Wenig später wurde der Fluss immer breiter und mündete schließlich in eine Lagune. In der großen Lagune umkreisten Flussdelfine (ein prähistorisches Souvenir des Ur-Amazonas) unsere Barke. Möchte man in dieser 3m tiefen Wasserlandschaft vorankommen, so muss man sich fliegend oder schwimmend fortbewegen. Hyazinthen (schräge Vögel mit punkiger Frisette, kreischender Stimme und huhnartiger Gestalt) und ein Specht (von den Einheimischen madre de la luna – also Mutter des Mondes genannt), der sich als abgestorbener Palmenstamm tarnt, bereichern hier die Vogelwelt und wurden von uns in Bild und Film festgehalten. Nun setzte ein monströser halbstündiger Regenguss ein, der unseren Guide veranlasste speedboatartig über den Wasserweg zu flitzen; zwei kleine in schwarze Regenponchos gehüllte Päckchen mit ein bisschen Mensch darin als Passagiere an Bord.
Ziel des Hinwegs war eine Indigena comunidad – drei abgefuckte Holzhütten, umgeben von Müll und halbverhungerten Kötern – in der uns vom Dorfopa gezeigt wurde, wie man aus Yucca Brot macht. Die Wurzel wir geschält, gewaschen, gerieben (wobei ich mir, aber auch Gonzalo sich, den Finger verletzte(n)), mittels Eindrehen im Tuch entwässert und schließlich in einer Eisenpfanne ohne Fett oder sonstige Zusatzstoffe wie, Zucker, Salz, Wasser oder Milch, erhitzt. Fertig ist das „pan de yucca“. Es schmeckt übrigens ähnlich wie Knäckebrot. Gehört Yucca zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln im Land und ist gekocht recht bekömmlich, so sollte man dennoch nicht auf die Idee kommen, die Wurzel roh zu verspeisen. In diesem Zustand ist sie nämlich toxisch, und zwar so, dass sie die hier ansässigen Stämme sogar unter das Curare für die Giftpfeile mischen. Dies hilft dabei die Tiere (oder Feinde) zu betäuben anstatt sie tödlich zu vergiften.
Nach diesem Zwischenstopp, der uns verdeutlichte, dass das Leben hier im Urwald kein Zuckerschlecken darstellt und mit großen Entbehrungen verbunden ist, düsten wir zum Sonnenuntergang zurück in die Lagune. Nachdem wir aufgrund der dichten Bewölkung, die weiteren Regen versprach, schon aufgegeben hatten und langsam unseren Rückweg antraten, überredete uns Gonzalo zum Glück noch einmal zur Umkehr. So erlebten wir doch noch ein herrliches (regenfreies) Farbenspiel am Himmel. Bei der Heimfahrt glühte das Firmament förmlich gelb, orange, rosa, lila und dunkelblau, bevor sich die stockfinstere Nacht über den Amazonas legte.
Mit unseren Headlights konnten wir kaum merklich den mit Baumstämmen übersäten Fluss ausleuchten. Gonzalo schien jedoch wie eine Fledermaus (die uns zahlreich begleiteten) durch die Mäander zu navigieren und erspähte nebenbei noch einige Kaimane für uns in der Dunkelheit. Diese waren aufgrund ihrer leuchtend roten Augen des Nachts deutlich besser auszumachen als während des Tages und lauerten, von den von uns verursachten Motorgeräuschen unbeeindruckt, entlang des Flusses auf Beute. Einmal kurz vor dem Ziel gekentert, kamen wir spät aber dennoch heil wieder bei der Lodge an und fielen nach einem reichlichen Abendessen und einer kurzen Partie Cuarenta in einen tiefen Schlaf.