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Cuyabeno – der Dschungel 1

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Am supermodernen Quitumbe Busbahnhof stiegen wir ein zur grausamsten Busfahrt unseres Lebens (noch schlimmer als das eine Mal nach Venedig). In stockfinsterer Nacht schaukelte und bumperte das geräuschstarke Höllenmobil stark genug die Serpentinen rauf und runter, dass uns beiden ordentlich schlecht wurde. Wir fragten uns, wie wir die kommenden zwölf Stunden überstehen sollten. Gottseidank hatten wir irgendwo ganz unten im Gepäck versteckt noch vier Reisekrankheit-Kaugummis, die Thomas unter großen Qualen in der Dunkelheit rauskrammte. Das war unsere Rettung. Zutiefst schlafbemängelt kamen wir irgendwann morgens doch noch halbwegs heil in Cuyabeno an. Hier wurde uns schnell klar: die Anstrengungen, die wir auf uns genommen hatten, haben sich definitiv gelohnt.

Beim Austeigen strömten uns dunstige Luft und Wärme entgegen, die wir in Quito oftmals vermisst hatten. Seltsame Geräusche begleiteten uns auf unserem Weg zur Registrationsstelle (ja wir sind hier in einem Schutzgebiet in Grenznähe und mit zahlreichen Indigenen Völkern – da schaut die Regierung gern mal nach wer hier so antrudelt und wohin er sich dann hin begiebt). Nach einem 10-minütigen Spaziergang durch abenteuerliches Grün erreichten wir dann auch die Lodge. Mehrere kleine, mit Palmenblättern gedeckte Häuschen auf Stelzen, die durch Holzstege miteinander verbunden waren, luden zum Verweilen ein. In den Hütten selbst schützten riesige über dem Bett befestigte Moskitonetze die Besucher vor vier- und gerne auch mehrbeinigen Überraschungsgästen während der Nacht. Für das leiblich Wohl war Carlos – Carlito zuständig und er erfüllte seine Aufgabe mehr als zufriedenstellend. Dreimal täglich gab es ein jeweils dreigängiges Menü, dass von einem reichhaltigen Saftangebot (Ananas, Mora, Baumtomate, Maracuja, Guanabana [gibts nur in Ecuador und ist die leckerste Frucht, die man sich vorstellen kann], Guave, Papaya, Mango) abgerundet wurde.

Der Urwald selbst, der überall rundum und in der Anlage sprießt ist traumhaft. Leben wächst, kreucht und fleucht hier aus allen Ecken – vorne, hinten, links, rechts, oben und unten. Gewaltige Baumriesen, bunte Vögel und Schmetterlinge (die Mehrzahl davon ist so groß wie zwei Handflächen und leuctend blau gefärbt), Termitenbauten, Kautschukbäume, Blattschneiderameisen und ein Sonnenuntergang goldener als ich je zuvor einen gesehen habe, bieten auch fernab von Kabelfernsehen und Wifi-Verbindung ausreichend Unterhaltung für eine ganze Woche. Wären nicht die Moskitos (die sich überraschenderweise eigentlich in Grenzen halten), so könnte man glauben, man sei im Paradies gelandet. Uns bleiben noch vier tolle Tage Zeit um diese Grüne Lunge unseres Planeten zu erforschen. Ich bin sehr glücklich und freue mich auf die noch kommenden Abenteuer.

Quito, Ecuador – diverse Ausflüge

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Cotopaxi morgens

 

Ein leckerer Spieß, den wir verzehrt haben, mit Banane, Wurst, Papa (Erdapfel), Hühnchen und gelbgrüner Salsa. Diese Investition von 1,40 US-$ war insofern toll, als dass sie die Befreiung von zwei Umständen darstellte. Zum einen hat uns unsere finanzielle Situation seit der Ankunft in Südamerika etwas betrübt. Eine Plananpassung war notwendig, weshalb wir früher nach Hause fliegen und Galapagos streichen mussten. Die Inseln werden sicher nicht morgen abgebaut, und es ist ja nicht unsere letzte Reise. Dafür gewannen wir endlich wieder das Gefühl sorglos vor uns hin reisen zu können. Zum zweiten ernähren wir uns aufgrund der Küche unserer Gastmutter großteils vegetarisch. Das ist sehr gesund und gut für die Linie, aber trotzdem ist so ein herzhafter Biss in ein frischgegrilltes Händl nicht schlecht.

Ja, die gute Rina. Sie muss wohl ein bisschen sparen und fasten für ihr Magenband. Nur schade, dass sie an unserem Essen spart. Sie spart auch gerne mit Waschmittel – wir wohnen hier wohl im einzigen Haushalt Quitos, in dem dieses Wunderding unbekannt ist – und Putzen. Leider ist es der arbeitslosen (aber nicht beschäftigungslosen: Akupunkteur, Aryuveda Therapie, von uns Geld schnorren für Magen-OP und Flug nach Spanien, um dort eine ominöse Erbschaft vor Gericht zu erkämpfen) Rina auch zu viel abzuwaschen und den Müll rauszubringen. Sie sieht uns gerne bei diesen Tätigkeiten zu, während sie uns erzählt, wie arm sie nicht ist. So genug gejammert, wir setzen unsere eigenen Interessen schon durch, keine Sorge. Letzte Woche hatten wir sogar einen lustigen Abend. Malek ist Puppenspieler und wir posierten zu viert mit diversen Handpuppen (Löwe, Hexe, Drache, Teufel, Hase,…) für die Kamera.

Nun sollen unsere sporadischen Ausflüge in Quito und Umgebung beleuchtet werden. Mit Freddy und Teresa waren wir beim architektonisch fragwürdigen, dafür innen kunstvoll-bunt bemalten „Tempel des Vaterlandes“ – eine vom Militär errichtete Gedenkstätte an die Schlacht vom Pichincha-Hügel, in welcher sich die Ecuadorianer die Unabhängigkeit erkämpften. Für patriotische Einheimische voll wichtig, für uns nett. Ausgestellt waren Waffen und Uniformen aus dem Unabhängigkeitskampf, das obligatorische Grab des unbekannten Soldaten umrahmt von den Fahnen aller ecuadorianischen Provinzen, Statuen und Büsten der Befreier Simon Bolivar und Mariscal Sucre und „heilige Erde“ vom Schlachtfeld. Viel beeindruckender fand ich hingegen das ecuadorianische Nationalmuseum, welches im Kulturpalast beheimatet ist. Es beherbergt Kunst-, Kult- und Alltagsobjekte aus den vier geschichtsbestimmenden Epochen des Landes: die Prä-Inka-Zeit der vielen kleineren Kulturen, die Inkazeit (die hier nur 60 blutige Jahre währte), die Kolonialzeit (in der vor allem klerikale Kunst erzeugt wurde) und die Moderne. Es ist unglaublich, wenn man die erste Halle dieses Museums betritt und die abertausenden Schätze erblickt. Besonders imposant sind die meisterhaft gefertigten, filigranen und prunkvollen Goldschmuckstücke, denen hier mehrere, sehr professionell gestaltete, Räume gewidmet sind.

In unserer dritten, mit komplizierter spanischer Grammatik gespickten, Woche besuchten wir auch zwei Naturwunder Ecuadors. Die Cuicocha Lagune („Meerschweinchensee“, da hier früher viele dieser possierlichen Tierchen wohnten) wartete mit exotischer Pflanzenwelt auf. Darunter riesige pelzige Blumen mit türkisen Blüten! Gerade noch rechtzeitig erreichten wir den trichterförmigen Kratersee, bevor dichte Wolken den Gipfel des pittoresk benachbarten Cotacachi-Vulkans bedeckten. Wir wanderten ein Stück um den See und genossen in trauter Zweisamkeit die herrliche Aussicht. Danach probierten wir die lokale Köstlichkeit „Carne Colorada“, ein in Kräuter eingelegtes Fleisch mit Mais in diversen Formen (Popcorn, gekocht und zerstampft) als Beilage. Die benachbarte Lederstadt Cotacachi war bis auf ein sehr hübsches Kaffeehaus, in dem mir erstmals richtig gutes Gebräu serviert wurde, nicht sehr aufregend. Die Ledersachen waren gar nicht mal so günstig und auch nicht ansprechend präsentiert. Daher beschlossen wir nochmal in Otavalo vorbei zu schauen und dort den Motor des Geldbörserls anzuschmeißen.

Gestern ging es mit geführter Tour (Oh, wie entspannend…) zum Cotopaxi. Der gewaltige Gigant von Vulkan zeigte sich bei der Hinfahrt noch von seiner schönsten, sonnenbeschienenen Seite. Im Nationalpark angekommen zog er es dann vor für die meiste Zeit eine Wolkenkappe aufzusetzen. Nun ging es ans Wandern. Um die Höhe besser zu bewältigen stopften wir uns beide ein paar Cocablätter, die wir aus unserem zuvor gekauften Tee fischten, in die Backen. Der anschließende kurze Kilometer vom Parkplatz zum Refugio ließ mich trotzdem ganz schön schnaufen, während Mia wie ein Murmeltier den Berghang raufkraxelte. Das Schutzhaus liegt auf 4810m Höhe und stellt somit den höchsten je von uns betretenen Punkt der Erdoberfläche dar – ein kleiner Erfolg. Im Refugio gabs leckere kräftige Hühnersuppe und heiße Schokolade für unterkühlte Wanderer. Der Wind blies kräftig auf der Bergflanke, und als es zu schneien begann, fühlte ich mich an die lebensfeindliche Vulkanlandschaft Islands erinnert. Bergab ging es dann – ab halber Strecke – mit dem Mountainbike. Der aufgewirbelte Staub stach wie Nadeln im Gesicht, als wir – ständig die Bremsen fest umklammernd – in Serpentinen den Berg hinunterrollten. Nach anfänglicher Skepsis, bezüglich der Sicherheit der Drahtesel, lieferten wir uns auf den letzten flachen Metern ein heißes Rennen. Ziel der Fahrt war die Limpiopungo-Lagune, von der aus wir einen letzten, heiteren (Stimmung und Bewölkung) Blick auf den Cotopaxi genossen.

Tom vor Cotopaxi
Aufstieg Cotopaxi
Cotopaxi Hütte 4810m
Cotopaxi Bike Tour
Cotacachi Plaza Mayor
Cuicocha

Quito, Ecuador 3

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Dieses Wochenende haben wir unseren ersten größeren Ausflug in die Umgebung von Quito unternommen. Insbesondere die Hinfahrt zum Monument „Mitad del Mundo“ (Mittelpunkt der Welt) gestaltete sich gleich recht aufregend. Unsere Gastmutter meinte, wir sollten einfach gleich ganz in der Nähe einen der Busse beim redondel (=Kreisverkehr) nehmen. Ihr Schwager erklärte uns, dass man zunächst den blauen Trole(Oberleitungs)bus nehmen muss und dann in einen der blauen Nicht-Trole-Busse mit der Aufschrift „Mitad del Mundo“ in der Straße des 10 August umsteigen kann. Letzteren Tipp gab auch der Autor unseres Reiseführers, und da auf unserem Stadtplan weit und breit kein Kreisverkehr eingezeichnet war und wir in einer Woche exzessiver Fußwanderung durch die Altstadt auch noch nie annähernd etwas ähnliches wie einen Kreisverkehr entdeckt hatten, entschwieden wir uns für zweite Variante. … Und zahlten drauf. Denn diese sollte sich als wenig zielführend herausstellen. Nachdem wir fast eine Dreiviertelstunde in besagter Straße auf einen Bus gewartet hatten, der nicht kam, fragte uns eine alte Frau, die gleich neben der imaginären Haltestelle einen Verkaufsstand betrieb, auf Spanisch wo wir den eigentlich hin wollten. (Dazu muss man wissen, dass es in Quito eigentlich 3 Sorten von Bussen gibt: 1. die Oberleitungsbusse, die fixe Haltestellen, Ticketschalter und Türen besitzen, immer zum Bersten voll gestopft sind und dich für 25 Cent so weit in eine Richtung bringen, wie du willst. 2. Stadtbusse ohne Türen, mit Variablen Preisen, mehr freien Sitzplätzen, einem netten im Bus mitfahrenden Ticketverkäufer, aber ohne fixe Haltestellen. Es gibt also keine Schilder, die darauf hinweisen, dass einer dieser Busse mit ganz unterschiedlichen Fahrzielen hier stehen bleibt. Man muss vorher wissen an welchen Plätzen man den Bus nach Mitad del Mundo, auf die Plaza San Blas oder zum Mercado San Roque erwischen kann. Fährt dann der gewünscht Bus vorbei, winkt man kräftig und mit Glück hält er kurz an, um dich einsteigen zu lassen oder lässt dich im Fahren aufspringen. (ja das geht, weil die Busse ja keine Türen haben. 3. Überlandbus, die wichtige Städte und Landesteile miteinander verbinden. Die sind wieder ein anderes Kapitel und werden beim nächsten Wochenendausflug behandelt.)Wir erklärten der älteren Dame die Situation und erfuhren, dass der Bus zum Äquatordenkmal seit drei Jahren von einer ganz anderen Busstation abfährt. Etwa 20 Minuten später saßen wir dann endlich im richtigen Bus, was wir daran erkennen konnten, dass in ihm auch andere gringos und gringas, also ausländische Touristen, mitfuhren.

Das Denkmal selbst war ein surrealer Ort. Rund um eine imaginäre Linie, nämlich dem Äquator (der sich nicht mal genau dort befindet!), wurde eine Betonstadt mit allerlei unzusammenhängenden „Attraktionen“ aud dem kargen Andenboden gestampft. Mittelpunkt dieses Dystopias bildet ein riesiges Monument in Form eines gigantischen Sandburgenküberls mit Kugel drauf, welches zu Ehren der französischen Vermessungsexpedition rund um La Condamine errichtet wurde, die ebenda den Äquator zu gefunden geglaubt hatte. Nun war es aus ihrer Sicht möglich die Erdgestalt exakter zu bestimmen. Die Theorie von einem Blauen Planeten in aufgestellter Eierform musste revidiert werden. Im Äquatordenkmal selbst befindet sich auch ein fragwürdiges „Ethnomuseum“ – eine Art Menschenzoo, in welchem Angestellte aller Hautfarben in bunten Kostümen herumlaufen. Wir verzichteten auf einen Besuch. Dann gibt es in weiteren Nebengebäuden noch ein Observatorium, ein Insektenhaus, eine Satellitenbild- und eine Kunstausstellung (Kopien von Guyasamin, dem wichtigsten nationalen Künstler), ein Miniaturmodell von Quito und 3 freilaufende Lamas (mit Baby; süß). Nachdem wir uns den größten Teil dieses Mumbo Jumbos gegeben hatten (inklusive gerade verendender Rhinozeroskäfer), führte uns ein staubiger Fußpfad zum 200m nebenan gelegenen Museum „Inti Nan“. Auch hier erlebten wir eine mäßig bemühte Konglomeration diverser anthropologischer Ausstellungsstücke (Schrumpfkopf, künstliche Grabststätten, Indianerhütten mit Anacondahäuten und lebenden Cuy [Meerschweinchen]). Allerdings verläuft auf dem Grundstück des Freilichtmuseums auch die richtige, mithilfe von GPS vermessene, Äquatorlinie, die zu allerlei lustigen Spielen mit Physik-Bezug einlädt. Beispielsweise demonstrierte unser Guide, dass Wasser unmittelbar auf dem Äquator abläuft ohne einen Strudel in eine Richtung zu bilden, sich dieses einen Schritt entfernt auf der Nordhalbkugel des Planeten jedoch gegen den Uhrzeigersinn dreht und wiederum nur einige Meter weiter im Bereich der südlichen Hemisphäre beim Ausfließen im Uhrezigersinn rotiert. Außerdem lässt es sich am Äquator am leichtesten ein Ei auf einen Nagel stellen, und am schwersten mit ausgestreckten Armen balancieren. Schuld ist jweils die Correoliskraft, die alle Körper und Massen in jeweils die eine oder andere Richtung dreht, und auf der Äquatorlinie Null beträgt.

Den späten Nachmittag verbrachten wir wieder in der schon lieb gewonnenen Altstadt. Hier  haben wir schon viel gesehen: Dutzende Kirchen (u.a. die Compania de Jesus, die im Inneren von den Jesuiten mit 2 Tonnen Inka Gold ausstaffiert wurde), die Calle La Ronde, den Regierungspalast mit 2 knuffigen Wächtersoldaten in bunter Uraltuniform, das sehr schöne und nigelnagelneu herausgeputzte Stadtmuseum inklusive Süßigkeitenmesse und das Denkmal des Stadtgründers Benalcazar, das manchmal Vandalenakten zum Opfer fällt. Gegen Abend nippten wir auf der Plaza San Francisco in einem Touristencafé Cappucino und heiße Schokolade (mit Käse, ja das ist hier ganz normal. Hier heißt es nicht: „Wollen Sie ihren Kakao mit Schlag?“, sondern: „Wollen Sie ihren Kakao mit Käse?“). Vielleicht hat auch noch jemdan den Rohrzucker umgestoßen und auf dem ganzen Tisch eine Riesensauerei angestellt (keine Ahnung, weiß nicht mehr so genau), aber auf jeden Fall war es sehr entspannend und schön. Hunderte Tauben glitten über den Platz und wir fühlten und gut. Zum Schluss freute sich auch noch einer der alten Obdachlosen, die vor der großen Kirche auf Almosen warten, so fürchterlich über das Sackerl mit Äpfeln und gekochten Eiern, welches uns die Gastmutter als Jause mitgegeben hatte, dass ihm die Tränen kamen. Ja, Armut gibt es hier schon, auch wenn man sie oft auf den ersten Blick nicht so deutlich sieht.

20-25. August Quito, Ecuador 2

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Am 2. Tag haben wir zur Orientierung eine Hop on – Hop off Tour im Doppeldeckercabriobus gemacht (und uns dabei einen ordentlichen Sonnenbrand geholt). Die Hauptstadt Quito liegt auf ca. 2700m Seehöhe. Es ist hier zwar nicht heiß, aber die Sonne ist sehr intensiv. Was gibt es sonst noch über die Stadt zu berichten? Vom ersten Eindruck her wirkt sie wohlstandsmäßig in etwa wie Budapest. Im Zentrum und in Gringolandia (dem Touristen- und Ausländerviertel) Mariscal stehen moderne Glaspaläste neben hübsch gepflegten Parks mit ausgefallenen modernen Kunstskulpturen; es finden sich aber auch BMX-Strecken und riesige Skate-Parks. Die Trolley(oberleitungs-)busse – das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel – sind sauber und gar nicht mal so alt, dafür aber immer überfüllt und mit gratis Kuschelfaktor. Wertsachen sollte man hier ständig im Auge behalten, darauf weisen schon die Ticket(boleto)verkäufer in den ebenfalls recht modernen Haltestellen hin. Es gilt: Rucksäcke (mochilas) werden vorne getragen, Kameras dezent unter dem T-Shirt oder der Weste versteckt. Die Straßen sind vor allem in der Altstadt eng und führen entweder steil bergauf oder bergab. Unter der Woche sind sie, ebenso wie die Gehsteige, massiv überfüllt. Quito antiguo, das alte Quito, versprüht ein koloniales Flair mit quirligen jungen Akzenten. Überall trifft man auf Indiofrauen, die Mandarinen, Orangen oder Choclo (jungen Mais) in Säckchen zu einem Dollar verkaufen. Bunte Häuser mit Holzbalkonen, sicher hundert und mehr Jahre alt, rahmen gepflasterte Gassen ein. Schuhputzer bieten auf der Plaza de la Independencia (dem Unabhängigkeitsplatz) ihre Dienste an und aus kleinen panederias (Bäckerei) strömt der Geruch von pan dulce con crema (Germteiggebäck mit Pudding und einer Rosine als Krönung). Die andere, moderne Seite der Altstadt, bilden Läden (tiendas) in denen chinesische Billigimitate, Technomusik mit andinem Einschlag und DVD-Raubkopien verkauft werden.

Die Bustour, die mit einem Preis von 12$ pro Personen wohl ausschließlich auf wohlhabendere Touristen aus Europa oder Nordamerika abzielt, führte uns unter anderem zur ersten Kirche der Stadt, der Kathedrale San Francisco, auf dem gleichnamigen ausladend angelegten Platz. Obwohl es im Inneren des Gotteshauses hier und da bereits zu bröckeln beginnt, wirkt der Ort prunkvoll bis dekadent.

Das schönste Ziel des sonntäglichen Ausflugs aber war der Panecillo, ein Bergchen von dem aus man das gesamte bunte Häusermosaik Quitos erblickt, welches sich wie eine Decke aus kunterbunten Legosteinen über die hügelige Landschaft legt. Von ihm aus sieht man den Vulkan Cotopaxi, ein schneebedeckter majestätischer 6000er, der etwa anderthalb Stunden von der Großstadt entfernt in den Himmel ragt. Gekrönt wird der Panecillo (Spitzname Brötchen) von einer 50 m hohen Statue Marias mit Engelsflügeln, einen Drachen unterdrückend. Zahlreiche Quiteños ließen hier neben Innereiengrills, Maiskolben(choclo)bratern und Colada Morada (lokale Getränkspezialität aus dunklen Beeren, Maizena und anderen Früchten, schmeckt ein bisschen wie ein Hollerkoch) Verkäuferinnen dutzende bunte Flugdrachen steigen (von denen jedoch mindestens die Hälfte in den hier überall sehr tief hängenden Stromleitungen endeten).

20.-25. August, Quito Ecuador

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Sanft und leise ist der, nach Erfahrungen mit Alaska Air und Air Berlin, luxuriös anmutende LAN-Flieger im nächtlichen Quito aufgesetzt. Wir haben es kaum mitbekommen, was daran liegen mag, dass die Jalousien für den Landeanflug nicht geöffnet worden waren. Erstmals gab es für jeden Sitz einen eigenen Bildschirm und ein reichhaltiges Kinoprogramm. Die vier Stunden Flugzeit vergingen dank diesem Service, der kuscheligen Decke, einer leckeren warmen Mahlzeit inklusive Schokokuchen und gratis Bier „wie im Flug“. Nach problemlosen Einreisformalitäten und mehrmaligem „Welcome to Ecuador“ wurden wir in der Ausgangshalle von unserem Sprachschul-Direktor „Freddy“ erwartet und quer durch die nächtliche Großstadt (mit 2,2 Mio Einwohnern) zu unserer Unterkunft in der Calle Benalcazar geführt. Wir tauschten ein paar Brocken Spanisch, die wir uns zuvor zuhause angeeignet hatten, mit ihm aus, während wir in seinem Minibus durch den gerade ruhigen (Wochenende) Verkehr glitten. Schnell erkannten wir, dass es noch „mucho a aprender“ (viel zu lernen) gab. Erstmal angekommen, mussten wir feststellen, dass die neue Adresse für die nächsten drei Wochen von einer Straßensperre aufgrund eines Marathons betroffen war. Freddy konnte den Straßenpolizisten (die im Überfluss in den verwinkelten Gassen der Altstadt vorhanden sind und quasi Ampeln und Kreisverkehre ersetzen) dann aber doch noch dazu überreden, uns zu erlauben in die Straße einzufahren und dort zu parken. Unsere Gastmutter „Rina“ (Blumenstein, mit wohlhabender polnischer Mutter aus Warschau, aufgewachsen in Caracas, Venezuela, dann Künstlerleben mit ecuadorianischem politischen Aktivisten und seitdem schwarzes Schaf der Familie) begrüßte uns mit Gesang – nachdem sie eine halbe Stunde lang auf kein Klopfen und (An)Rufen von uns dreien reagiert hatte. Wir nutzten die Zeit um den Ausblick auf den pittoresken Panecillo (Brötchen) genannten Hügel und das dort abgeschossene Feuerwerk zu genießen.

Unser neues Zuhause in Quito ist sehr nett und gemütlich. Wir wohnen in einem alten Kolonialgebäude mit schmucken Holzportalen sowie Balkonen und verfügen über ein eigenes Schlaf-, Wohn- und Badezimmer. Die beiden ersteren Räume sind mit bunten Bildern und Theaterpostern von Rina dekoriert und werden von einem hübschen dunkelbraunen Echtholz-Parkett aufgewertet. Die Sanitäranlagen können mit europäischem Standard zwar nicht mithalten (Möchte man duschen, so muss man sich entscheiden, ob man Druck oder Wärme bevorzugt. Wenig warmes Wasser oder viel eiskaltes Wasser stehen zur Verfügung. Dieses Problem tritt aber überall in Südamerika auf, wie uns unser geheimzuhaltender Mitbewohner Elliot [mehr zu ihm später] mitteilte. Auch die Notdurft verrichtet man hier anders: Klopapier darf hier nach Gebrauch aufgrund der dünnen Rohre unter keinen Umständen in die Toilette geworfen werden, sondern muss in einem Kübel neben derselben entsorgt werden. Die Folge: es stinkt immer dezent oder weniger dezent nach Scheiße.) sind aber erträglich. Im Schlafzimmer steht ein großes Bett und die Balkontüre öffnet sich in Richtung eines Augustinerinnenklosters, in welchem jedem Tag pünktlich von 5:30 bis 8:00 jede halbe Stunde händisch die Glocken geläutet werden – wir haben uns bis jetzt noch nicht daran gewöhnt. (Schlimmer als die morgendlichen Kikeriki-Schreie auf Kauai)

Neben Rina und Elliot wohnen auch noch Malek, der 32-jährige Sohn unserer „ecuadorianischen Mama“, und der wuselige junge Labradorrüde Cosmos im Haus. Alle sind sehr nett und herzlich und ein bisschen durchgeknallt, aber das ist ok und hebt den Spaßfaktor. Rina ist sehr an gesunder Ernährung interessiert, was damit zusammenhängen mag, dass sie ein paar (nett ausgedrückt) Kilos zu viel auf ihren Rippen und insbesondere dem Po hat. Unsere erste von ihr zubereitete Mahlzeit war eine Spinatsuppe; außerdem hatten wir bis jetzt auch Hühnchenkeulen mit Salsa, Maiskolben, Frühstücksomeletts, Rindfleisch mit Erdnusssauce (unser Favorit), Thunfischsalat mit Avocados, Bohnen mit Spiegelei, diverse Fruchtshakes und ein von Mia zubereitetes Gulasch. Ich glaube das Essen hier im Haus ist wirklich authentisch ecuadorianisch, also viel Obst (Früchte die ich noch nie gesehen habe, und von denen ich auch noch nie gehört habe) und Gemüse, das reich an Stärke und Proteinen ist. Fleisch und Fisch ist wahrscheinlich zu teuer um es täglich zu essen. Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes lernten wir Malek kennen, den wir nur noch unseren „DJ“ nennen. Sein Musikgeschmack deckt sich ungefähr mit unserem und die Boxen in Küche/Esszimmer sind immer aufgedreht. Wenn Rina mal wieder zum Aryuveda-Doktor oder Akupunkteur muss, macht er das Frühstück und beweist seine Koch-Qualitäten. Tatsächlich waren Maleks Weizen-Erdbeer-Pfannkuchen mit Zuckerrohrsirup bis jetzt das kulinarische Highlight. Auch selbstgemachtes Popcorn beherrscht er am besten. Weiters ist er sehr bemüht uns zu unterhalten. Bisher standen zwei Partien südamerikanisches Ludo und ein nächtlicher Spaziergang auf dem Programm, bei dem wir erfuhren, dass man hier Zigaretten auch einzelnen kaufen kann – natürlich inklusive Anzündservice.

Wie bereits erwähnt haben wir hier in der Calle Benalcazar quasi unsere eigene kleine Einlegerwohnung und zurzeit auch einen „Untermieter“. Über unseren drei Räumen haust Elliot in einem kleinen Schlafsaal, der über eine schmale Wendeltreppe zu erreichen ist. Elliot ist ein 23-jähriger Amerikaner, der gerade seinen Geschichtslehrer-Bachelor absolviert hat, durch Südamerika tingelt und sich nebenbei als Lehrer in einer ecuadorianischen Privatschule für Reiche so einiges dazuverdient. Er ist gerade auf Wohnungssuche und wird demnächst ausziehen. In der Zwischenzeit ist es aber sehr lustig abends mit ihm auf der Couch im Wohnzimmer zu plaudern und seinem Gitarrengeklimpere zu lauschen.