Der zweite Tag in Machu Picchu war beschwerlich, aber herrlich. Nachdem wir erneut ein bisschen durch die Ruinen gestreift waren, bestiegen wir zur Mittagszeit den steil aufragenden Huayna Picchu. Dies ist sicher nicht die beste Tageszeit für dieses Unterfangen, aber die Entscheidung lag nicht bei uns. Ein strenges System regelt den Zutritt zum Wandersteig: Insgesamt 400 Personen in zwei Partien dürfen – natürlich gegen eine zusätzliche Gebühr – nach erfolgreichem Aufstieg einen grandiosen Ausblick auf die Ruinen genießen. Vor allem ich hatte – mit schwerem Rucksack und Stativ ausgestattet senkrecht bergauf – ziemlich zu schnaufen, um diesem Ziel näher zu kommen. (Können diese verdammten Inka nicht normalen wohnen, wie andere Kinder auch?!) Aber irgendwie gehts ja doch immer und die auf dem Weg gesichteten Halbschuhtouristen (Deutsche mit Lacoste Pullis und Espandrillos) sowie Großmutter und Mutter mit Neugeborenem in Känguruhtasche (sie wurden nach den ersten 300 m dann aber nicht mehr gesehen) weckten dann doch den notwendigen Ehrgeiz.
Bereits 15 min vor dem Gipfel legten wir eine erste größere Pause auf den kunstvoll dem Berg abgerungenen Terrassen ein, verschnauften ein wenig und betrachteten die Anlage von oben. Aus der Vogelperspektive wirkte das menschliche Meisterwerk noch größer und beeindruckender. Abenteuerliche Höhlengänge und Holzleitern führten uns schließlich zur schmetterlingsumschwärmten Spitze, die gerade einmal Platz für vielleicht 15 Wanderer bot, mehr oder weniger aus einigen gewaltigen Wackelsteinen bestand und mit zwei Wächtern besetzt war, die in der brütenden Hitze aufpassen mussten, dass sich die Touristen nicht gegenseitig runterstoßen. Wir fühlten uns wie Helden und versicherten uns gegenseitig, dass die 45 Minuten rauf ja eigentlich ein Klacks gewesen waren. – Da hatten wir jedoch das Schlimmste noch vor uns. Wie immer konnten wir nicht genug kriegen und mussten es übertreiben, deshalb beschlossen wir den wesentlich längeren Rückweg über den Mondtempel anzustreten.
Zunächst gings gemütlich bergab, was uns behagte. Auch der Mondtempel, der sich als eine mystische Höhle herausstellte, gefiel. Dann aber die frustrierende Erkenntnis: Es hieß den gesamten Weg wieder raufzukraxeln – und dies über noch engere Felsspalten und steilere Treppen. Wir fragen uns, ob wir noch rechtzeitig den Zug zurück nach Cusco erreichen würden, so endlos erschien der Weg. Zusammenfassend und für alle nachfolgenden Abenteurer können wir festhalten: die „most complete“ Tour des Huayna Picchu bedeutet: Man muss rund um den konusförmigen Berg wandern, 2 mal die ganze Strecke rauf und 2 mal runter! Völlig verschwitzt und durstig trugen wir unsere Namen an der Kontrollstelle aus – anerkennende Worte wurden nicht an uns verteilt. Der Rekord für die Besteigung liegt übrigens bei 20 min, runter unter 20 Sekunden – tja die Pfade sind schmal und bei Regen glatt und rutschig.
Ein letztes Mal ließen wir unsere Blicke über das Inka-Denkmal und seine zahlreichen faszinierenden Details schweifen: Trapezförmige und dadurch erdbebensichere Fenster, Steinkompasse, einfache Türschlösser, Wasser- und Kondortempel, Speicher, Mumiennischen und Sonnennadel. Gottseidank ist die Stätte heute auch aufgrund finnischer Schuldenerlässe gut bewacht. Unser Guide hatte uns am Vortag erzählt, dass in den 80ern noch im Rahmen einer Konferenz südamerikanischer Führungsträger eine großer Monolith entfernt worden war, um Platz für einen Helikopterlandeplatz hier oben zu schaffen. Unvorstellbar! Auch der vermeidliche „Entdecker“ Bingham betrieb Raubbau an Machu Picchu und seinen rechtmäßigen Erben. Viele wichtige Exponate nahm er kurzerhand in die Staaten mit und bis heute wurden lediglich weniger als 10% dieser an Peru retourniert.
Die Rückfahrt mit dem Bus von den Ruinen gestaltete sich erneut spannend. Die Fahrer werfen sich über die staubigen Serpentinen, als ob sie nach Fahrt bezahlt würden. Und hin und wieder steht in der Kurve ein weiterer Touribus vor der Windschutzscheibe des eigenen. Wir haben übrigens eine Theorie zu der Sitznummerierung in den Bussen aufgestellt: Es gibt sagen wir an die 30 Busse (vielleicht weniger); die Sitze in den Bussen tragen alle Polsterüberzüge mit derselben Nummer, beispielsweise 25. – Was wenn die für dreißig Busse Bezüge von 1 bis 30 bestellt haben und die aus China aber nach Nummern sortiert in Päckchen mit nur Einsen, Zweien etc. geliefert kamen? Unsere Theorie: man wollte sich das Auseinandersortieren ersparen und hat dann einfach einen ganzen Bus mit der gleichen Nummer bezogen.
Ein mexikansches Abendessen später führte uns dann Perurail im (nicht ganz so luxuriösen) blauen Rüttelzug in 3 1/2 Stunden nach Cusco retour. (Naja nicht ganz; der Shuttle Service ließ uns irgendwo in der Botanik aussteigen – die letzte Frechheit, die wir von den Blutsaugern der Agentur, der wir schon so viel Geld für so wenig Service in den Rachen gestopft haben, erdulden mussten). Während der Fahrt waren wir mit dem Dauermonolog eines midlifecrisigen Deutschen konfrontiert, der sich in Peru für den neuen Don Juan hielt. (Wir konterten mit angestrengtem, aber vergeblichem Weghören).
Die nächsten 3 Tage waren ziemlich ereignisarm: 1/2 Tag im Zimmer gelungert, um den gierigen Griffeln der Cuzquenos zu entgehen; dann ist Mia angeschlagen darniedergelegen (Zahnweh), hat sich aber rechtzeitig zur Marathonbusfahrt nach Lima wieder erholt. Ich hab mir zwischendurch die Kathedrale im Ort angeschaut. Highlight hier: Das Bild vom letzten Abendmahl mit Cuy (Meerschwein) als Hauptgericht.